Zunächst sollten wir klären was denn ein Vorhalt überhaupt ist:
Stellen wir uns eine Schneeballschlacht oder ein Völkerball Spiel vor, bei dem wir versuchen einen Gegenspieler der quer zu uns läuft, zu treffen.
Richtig, wir zielen etwas in seiner Laufrichtung vor seinen Körper.
Wiki dazu:
ZitatDer Vorhalt ist die Winkeldifferenz für den direkten Schuss zwischen der Zielrichtung, die für das Treffen eines bewegten Zieles mit einer Schusswaffe notwendig ist, und der Zielrichtung, die in derselben Situation für das Treffen desselben Zieles notwendig wäre, wenn es sich nicht bewegen würde. Da Projektile einer Schusswaffe nach dem Abschuss nicht mehr gesteuert werden können, kann eine Veränderung von Kurs oder Geschwindigkeit des Zieles auch bei korrekt gewähltem Vorhalt zum Verfehlen des Ziels führen.Die Größe des Vorhalts resultiert aus Kurs und Geschwindigkeit des Ziels, der Geschwindigkeit des Projektils sowie gegebenenfalls der Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit des Schützen. Für Ziele mit geradem Kurs und Projektile mit konstanter Geschwindigkeit lässt sich der Punkt geometrisch oder mit trigonometrischen Grundfunktionen berechnen. Bei Zielen mit komplizierterem Kurs und ballistischen Projektilen mit abnehmender Geschwindigkeit gestaltet sich die Berechnung erheblich schwieriger. Der Vorhalt kann als Winkelmaß (z. B. in Strich) oder als in die Bewegungsrichtung des Zieles projizierte Entfernung (z. B. in Meter) angegeben werden.
Bei militärischen Waffensystemen wird der Vorhalt zumeist durch Berechnung der Schusstafeln und der aktuellen Situation ermittelt, von Feuerleitanlagen gesteuert und gegebenenfalls durch Einschießen ergänzt. Bei Handfeuerwaffen richtet sich der Vorhalt in der Regel an Erfahrungswerten der Schützen. Für das sportliche Wurfscheibenschießen oder beim jagdlichen Übungsschießen wird diese Fähigkeit der Schützen trainiert.
Was der Mensch mehr oder weniger intuitiv tut, ist bei relativ großem Geschoss, kurzer Entfernung und großer Zielfläche recht einfach. Wenden wir diese Grundsätze jedoch auf Feuerwaffen an, wird es umso schwerer.
Die eigentlich erforderliche geometrische Berechnung eines ungleichschenkligen Dreiecks dauert im Feuerkampf oder bei der Jagd zu lange. Es wurde also von je her Hilfen bei der Visierung erfunden um den Vorhalt behelfsmäßig zu ermitteln. Das Ringkorn, die Balkenkimme oder die Vorhaltestachel sind Beispiele dafür.
Diese Hilfsmittel erlauben es dem Schützen den Weg eines Zieles in einer bestimmten Zeit zu schätzen um so den Haltepunkt entsprechend anzupassen und mitzurichten oder den Schuss früher abzugeben.
Im Panzerbau flossen feste Vorhaltemarken erst nach dem 2. Weltkrieg in die Produktion ein und dienten so als Hilfe für den Richtschützen. Diese Vorhaltemarken waren aber nur Anhalte und mussten vom Richtschützen auf die tatsächliche Situation angewendet werden, so das noch während meiner Ausbildungszeit mit mindestens 2 Schuss bis zum Treffer gerechnet wurde.
Dazu aus der Panzer-Schiessfibel von 1956:
ZitatAlles anzeigenDas Schießen auf fahrende Ziele setzt beim Richtschützen großes schießtechnisches Können voraus. Das Ziel bewegt sich in einer bestimmten Richtung während der Flugzeit des Geschosses. Dies muß besonders berücksichtigt werden.
In ebenem Kampfgelände erscheint der Feindpanzer bei der "Drauflosfahrt" oder "Wegfahrt" als stehendes Ziel in der Strichplatte. Dies ergibt schießtechnisch keine Änderung.
Der Feindpanzer in "Querfahfahrt" oder in "Schrägfahrt" erscheint jedoch in der Strichplatte von links nach rechts waagerecht durch das Zielkreuz fahrend. Obwohl beide Panzer im Gelände die gleiche Geschwindigkeit, z.B. 20 lm/h haben, erscheint der schrägfahrende Panzer in der Strichplatte nur mit halb so großer Geschwindigkeit wie der querfahrende Panzer.
Bei einem querfahrenden Panzer muß das Zielkreuz 5 Strich (1 Vorhalt) vorgehalten werden.
Bei einem schrägfahrenden Panzer genügen 2,5 Strich (halber Vorhalt), weil dieser nur mit halb so großer Geschwindigkeit wie der querfahrende Panzer in der Strichplatte erscheint.
Die Entfernung zum Ziel bis 2000 Meter hat auf das Vorhaltemaß kaum Einfluß.
Die nachstehende Faustregel für die Vorhaltemaße dient als Anhalt:
Geschwindigkeit des Zieles Vorhaltemaß
bis 15 Km/h 0,5 bis 1 Vorhalt
15-20 Km/h 1 Vorhalt
über 20 Km/h 1 bis 2 Vorhalte
Mit Einführung von Waffenstabilisierungs Anlagen für die Hauptwaffe der Kampfpanzer kam ein weiterer Aspekt der Vorhalt Berechnung hinzu: Die eigen Bewegung.
Erst mit der Einführung digitaler Feuerleitanlagen, wurde eine Berechnung der Vorhalte möglich.
Die Berechnung der sich ständig ändernden Werte ist aber nicht zu 100% als richtig zu sehen, da sich die Variablen ständig ändern !
Welche Informationen benötigt ein Feuerleitrechner zur Berechnung des Vorhalts?
- Weg zu Ziel
- Geschwindigkeit des Geschosses
- Weg des Ziels in einer bestimmten Zeit und Richtung
- Weg des eigenen Kampfpanzers
- Winkelveränderung (vertikal/Horizontal)von der Messung der Entfernung bis das Geschoss das Ziel erreicht
Diese sich ständig ändernden Werte werden beim Leopard 1A5 (EMES 18) und dem Leopard 2 (EMES 15) von folgenden Komponenten geliefert
- Laser Entfernungsmesser
- Balistikrechner
- Turmstellungsgeber
- Waffenerhöhungsgeber
- Tachogeber (Nur Leopard 2)
Ausgelöst wird die Berechnung in der Regel durch betätigen des Bedienhebels "Dynamischer Vorhalt" an der Richtschützen Steuereinrichtung.
Eine Besonderheit des EMES 15 des Leopard 2 ist der Tachogeber, der ständig die gefahrene Geschwindigkeit des Kampfpanzers in die Feuerleitanlage übermittelt (Erzeugt auch das Signal für den Tacho des Fahrers).
Die Berechnung dieser eigen Geschwindigkeit wird Rücksteuerung genannt und kann am Rechner Bediengerät ausgeschaltet werden. Das EMES 18 des Leopard 1A5 verfügt nicht über diese Eigenschaft, da dem Leopard 1 A5 der nötige Geber im Getriebe fehlt. Die Rücksteuerung funktioniert aber nur unter bestimmten Umständen.
Dazu die TDV (aus dem Gedächtnis)
ZitatAlles anzeigenRücksteuerung
Geschwindigkeit und Richtung des eigenen Panzers haben Einfluss auf die
Abgangsrichtung und die Flugbahn des Geschosses.
Durch die Rücksteuerung (in "STAB. EIN") werden diese Einflüsse bezogen
auf das anvisierte Ziel ausgeglichen. Ausgelöst wird die Funktion
durch das Abfeuern des Lasers.
In allen Betriebsarten wird nach der letzten Laser-Entfernungsmessung
der vom eigenen Kampfpanzer zurückgelegte Weg (Tachogeber) von der Feuerleitanlage erfasst.
Aus der gemessenen Zielentfernung, dem gemessenen Winkel zum Ziel
und der zurückgelegten Fahrstrecke des KPz wird ständig die sich daraus
ergebende Zielentfernung berechnet und bei Aufsatz und Vorhalt berücksichtigt.
Die automatische Entfernungsanpassung wird nur bis zu einer Zielentfernungsänderung
von max. 170 m durchgeführt. Daher ist nach 170 m
Fahrstrecke (ca. 10 s) erneut zu "lasern", falls nicht innerhalb dieser Strecke
der Schuss bricht.
Daraus ergeben sich folgende Schießregeln für die Betriebsstufe "Stab ein":
Leopard 1 A5 schießt mit dynamischen Vorhalt aus dem Stand und der Bewegung auf Ziele im Stand und in der Bewegung, schießt aus dem Stand auf stehende Ziele ohne dynamischen Vorhalt !
Leopard 2 (Alle mit eingeschalteter Rücksteuerung) schießt aus dem Stand auf Ziele in der Bewegung mit dynamischen Vorhalt, aus der Bewegung auf Ziele in Bewegung mit dynamischen Vorhalt, aus der Bewegung auf stehende Ziele ohne dynamischen Vorhalt !