Nun ja, nachweislich waren Kinder unter den Opfern, und ich denke, niemand hier unterstellt, daß zehnjährige wie Talibankämpfer betrachtet werden sollten, selbst wenn sie mit einer AK herumlaufen (was auch in Afghanistan eher unüblich ist). Solange die Bundesregierung - letzlich: die Bundesrepublik - nicht wahrhaben will, daß sie sich im Krieg befindet, muß sie sich auch gefallen lassen, daß zivilrechtliche Maßstäbe durch die Angehörigen angelegt werden. Man kann nicht beides haben - die Illusion, sich nicht im Krieg zu befinden und zugleich den Anspruch, wie im Krieg Luftangriffe durchführen zu können. Und zur Ehrlichkeit gehört auch, zuzugeben, daß Oberst Klein eine vermeidbare Fehlentscheidung getroffen hat. Die glasklaren Prozeduren der ISAF-Einsatzregeln wurden nicht eingehalten, sowohl was den Luftangriff selbst angeht als auch die gebotene zeitliche Nähe der Untersuchung des Einsatzorts. Das BMVg hat verzögert, vertuscht, und getrickst wo es ging, um die klare Sprache des Einsatzberichts der untersuchenden Feldjäger weichzuspülen für den offiziellen NATO-Bericht, aber auch der stellt unmißverständlich fest, daß die Prozeduren nicht eingehalten wurden.
Die gibt es nicht ohne Grund. Wenn sich Offiziere der Bundeswehr darüber hinwegsetzen, dann öffnet das natürlich die Tür einen Spaltbreit für Klagen, auch wenn deren Erfolgsaussichten gering sein mögen. Und mal ehrlich: Wenn wir jedes Jahr mehrere Milliarden für den Einsatz dort ausgeben, dann sollte man doch meinen, daß 10.000 Euro pro Opfer nicht wirklich weh tun.
Es gab eine militärische Begründung für den Luftangriff, aber er ist schlampig durchgeführt worden. Einerseits haben wir die Bundeswehr, die einen Heidenaufstand veranstaltet, wenn beim Schulschießen eine einzige Patrone abhandenkommt oder die die Schießbahn nachts um drei von hundert Soldaten stundenlang absuchen läßt, weil ein blödes Magazin verloren wurde. Und andererseits soll es dann wieder egal sein, wenn von, konservativ geschätzt, 100 Toten nur 30 als Talibankämpfer eingestuft werden können?
Ich bin kein Freund davon, nachträglich von Besserwissern und Juristen am grünen Tisch alles infrage zu stellen, was an militärischen Entscheidungen im Einsatz getroffen wird. Aber wir können nicht einerseits jeden StUffz und Gefreiten mit staatsanwaltlichen Untersuchungen wegen vorsätzlicher Tötung belasten, wenn sie auf Posten stehen und ggf. die Handwaffe zum Einsatz bringen, und andererseits jemanden von der Untersuchung ausnehmen, wenn auf seiner Schulter Sterne und Eichenlaub prangen.