Rüstungsvorhaben...

  • Was ich mich immer bei sowas frage...die dinger werden doch nach einem Anforderungsheft konstruiert...und dann kommt sowas raus? Oder wird nur mehr zu sehr auf Mehrzweck um jeden Preis produziert?
    Natürlich hat sowas Kinderkrankheiten,aber der wird ja jetzt auch schon lang genug geplant und gebaut (und sollte ja schon seit 2006 bei der BW sein)..

  • Dem Spiegel sei Dank, er erhellt unseren Horizont mit brandneuen Nachrichten, die nun gut 2 JAHRE ALT SIND!!!

    Erschütternd sind diese o.ä. geartete Berichte selbstredend, Fakt ist aber, dass die Einführung NH 90, respektive der Variante UHU schon 2007 zeitlich auf 2011 verschoben wurde und schon damals auch das in Frage gestellt wurde. Vorsorglich wurde die Außerdienststellung CH-53, erstes LOS auf 2030 verschoben.
    Der NH-90 ist längst nicht serienreif, traurig wie gesagt, aber Fakt ist auch, dass diese Mängelliste schon 2007 in der Truppe behandelt und die Industrie zur Nachbesserung aufgefordert wurde, der Bericht des Spiegel ist M.E. asbachuralt, Hauptsache man hat eine Schlagzeile als Lückenfüller.

    by the way - ähnliche Schwierigkeiten gibt es auch beim TIGER, insbesondere was die Kombination Bugwaffenanlage und Hubschrauber betrifft.
    Derzeit gibt es von der Vorserienreife zwei Typen:
    Den TIGER der fliegen kann, aber keine Waffen trägt und den TIGER der Schießen kann (BK) aber nicht fliegt.

    Wenn man das nun in Kombination hinbekommt, wäre das quasi TOLL :D.

    Greets - ähm Gruß

    HaraldGGF

  • Na gut, man darf nicht die Komplexität vergessen. Und wer schon mal ne Anlage mit all den tollen Features aufbauen wollte, die Siemens bietet und dann aber schnell merkt, dass von all den tollen Vorteilen nix übrig bleibt bzw in 2 Jahren frühstens auf den Markt kommt, der weiß, wie der Hase läuft.


    Auch der Puma ist ein hoch komplexes System. Schlimm ist eben nur, dass der Industrie (jeder kennt jeden und schmiert jeden) immer wieder Geld in den Rachen geworfen wird, trotz Totalversagens. Siehe Verhalten / Nachforderungen beim A400M...


    Fehler der Industrie gehen nicht auf deren Kappe! Solch ein Verhalten in der freien Wirtschaft erlebt man nicht. Wenn bei uns eine Anlage nicht funzt, dann wird's teuer :D

  • Es kommen viele Faktoren zusammen. Zunächst ist zu nennen der Wunsch, so viel wie möglich "Commercial Off The Shelf", d.h. handelsüblich zu beschaffen, und dann merkt man plötzlich, das der Fußbodenbelag nicht robust genug ist. Daß die nachträgliche Änderung der Spezifikation dann mehr kostet, als wenn man gleich auf einen spezialisierten Belag genommen hätte - nun ja.


    Dann ist da natürlich der elende Dreiklang von Streichen-Strecken-Schieben. Budget-Knappheit zwingt zum Tricksen um sowohl ein Projekt überhaupt am Leben zu erhalten als auch die Vorgaben des Haushaltsrechts einzuhalten. Allen Beteiligten ist von vornherein klar, daß wenn zeitliche und/oder inhaltliche Veränderungen am Projektplan vorgenommen werden, dies zu Verwerfungen und - bei Betrachtung der Gesamtkosten - auch zu Kostensteigerungen bzw. Leistungsminderungen führen muß.


    Dann ist auch entschieden darauf hinzuweisen, daß die Stehzeiten der Projektmanager immer kürzer werden - sowohl in der Industrie als auch beim "Bedarfsträger" (und das trifft gleichermaßen die Amtsseite wie das Ministerium und auch die Truppe). Als Konsequenz werden Fehler gemacht, die schlicht dem Mangel an Erfahrung bei gleichzeitigem Anwachsen der Komplexität der Systeme geschuldet ist. Zudem ist heute niemand mehr bereit, umfangreiche Prototypen-Programme zu finanzieren. Für den Leo 1 wurden über 50 Prototypen gebaut, bis man sich auf die Serienkonfiguration festgelegt hat. Für den Leo 2 waren es noch 19 Prototypen (da hatte man durch den Leoi 1 deutlich an Erfahrung gewonnen, das war vertretbar). Für den Puma sollen fünf Prototypen reichen (und man weiß ganz genau, daß die endgültige Festlegung der Serienkonfiguration erst in der Fertigungsphase des zweiten Loses erfolgen wird, weil aufgrund des Zeitdrucks nur eine Minimalprüfung stattfinden kann, die das Schlimmste verhindern soll - aber die "einsatznahen Erfahrungen" werden sehr einsatznah gewonnen werden müssen - nämlich im Einsatz selbst.
    Man kann das kritisieren, muß aber dann auch sagen, was die Alternative sein soll - noch drei Jahre länger mit dem Marder in Afghanistan herumgurken?


    Die im Artikel genannten unschönen Dinge sind letzten Endes nicht der Tatsache geschuldet, daß eine inkompetente Industrie dem schafsköpfigen Ministerium das Geld aus der Tasche zieht. Das mag es im Einzelfall sicher auch geben. Vor allem ist es aber ein Symptom für die Folgen gewisser politischer Vorgaben - einerseits das maximal Mögliche zu fordern, einen minimalen Preis zahlen zu wollen, und sobald man dann einen Vertrag geschlossen hat, peu a peu die Stückzahlen der zu beschaffenden Systeme zu reduzieren, Zahlungen in das Folgejahr zu verschieben, und Ausgaben für die Entwicklung nahezu komplett der Industrie aufzubürden und zugleich von ihr zu fordern, um jeden Preis Einsparungen zu erzielen.


    Nur mal so zum Vergleich: Für den 190er hat Mercedes-Benz seinerzeit 1,9 Milliarden DM allein für die Entwicklung der neuen Hinterachse investiert. Auf der anderen Seite will man vom Puma ein neuartiges Dieseltriebwerk mit unerhörter Leistungsdichte, ein neuartiges entkoppeltes Fahrwerk, Minenschutz, ABC-Schutz, ein neuartiges Konzept mit unbemanntem Turm, den höchsten Panzerschutz in seiner Klasse, reduzierte Wärmebild- und Radarsignatur, die Vorbereitung für die Ausrüstung mit einem neuartigen Lenkflugkörper (aber ohne diesen zunächst zu beschaffen), und und und - also ungefähr 50% aller Teile sind neu oder neuartig - und trotzdem sollen die Entwicklungskosten unter zehn Milliarden liegen. Der Aufwand, den die Automobilindustrie für vergleichbare Innovationsschritte betreibt, ist also unvergleichlich höher, und wenn dann bei der E-Klasse die neuartige Verknüpfung von elektronischen Regelsystemen und Mechatronik und sonstwas nicht völlig reibungslos klappt, bricht bei den Aktionären und Kunden gleich die Hysterie aus. Aber bei Militärtechnik erwarten alle, daß das auf Anhieb klappt, obwohl doch der Entwicklungsaufwand im Vergleich noch sehr viel geringer ist.


    Unter diesen Umständen Lamento zu schreien grenzt doch an Schizophrenie.

    Bitte keine Privat-Nachrichten an mich!
    eMails integrieren sich viel besser in meinen Arbeitsablauf, oder schreibt's gleich ins Forum, OK?